Die Salbung in Betanien

3 Und als er in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Alabastergefäß mit unverfälschtem, kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Gefäß und goss das Öl auf sein Haupt.

4 Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls?

5 Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an.

6 Jesus aber sprach: Lasst sie! Was bekümmert ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan.

7 Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit.

8 Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt zu meinem Begräbnis.

9 Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat.

Dieser Gottesdienst wurde in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Geimenschaft Meckenheim e.V. gehalten. Wir danken herzlichst für die Zusammenarbeit und die technische Unterstützung. Sie finden diesen Gottesdienst auch auf der Internetseite: www.gemeinschaft-meckenheim.de 

Liebe Gemeinde!

Etwas sehr Ärgerliches geschieht hier. Eine Frau drängt sich in eine Männergesellschaft. Sie gehört da eigentlich nicht hinein. Denn wir sind im Orient. Und im Orient bleiben Männer unter sich. Da haben Frauen nichts verloren. Das ist noch heute so wie es schon im alten Israel war.

Da sitzt Jesus im Haus des Simon aus Betanien. ER hatte dort vermutlich seinen festen Platz. Von dort aus pendelte ER in der letzten Woche seines Lebens täglich nach Jerusalem und zurück. Die Männer sitzen beim Gastmahl beisammen. Wenn sich da eine Frau hineindrängelt, so tut sie etwas Ungehöriges. Es sei denn, sie kommt, um zu bedienen. Aber diese Frau kommt nicht, um zu bedienen. Diese Frau ist offensichtlich reich.

Und sie kommt, um sich zwischen Jesus und die Männer zu drängen.

In zärtlicher Weise kommt sie Jesus ganz nahe, viel näher als diese Männer es je könnten.

Warum duldet Jesus das?
Merkt ER nicht, dass sie stört?
Spürt er nicht, wie sie die Männerrunde sprengt?

 Mit einem Mal sind die Männer Jesus sehr viel ferner als diese Frau, die da so ungehörig eingedrungen ist. Warum duldet Jesus diese aufdringliche Nähe einer fremden Frau? Spürt ER nicht, dass sie sich wie ein Keil zwischen Jesus und die Männer schiebt?

Von einem Moment zum anderen sind all die schönen Männergespräche dahin. Alles dreht dich nur noch um diese Frau. Und dann wird der Ärger komplett. Sie öffnet eine Flasche mit reinstem unverfälschtem Nardenöl und streich Jesus dieses Öl über den Kopf. Zärtlich massiert sie es IHM in die Haare.  

Schon dass sie sich Jesus einfach so nähert und IHN berührt, ist anstößig und unanständig. Aber dass sie Jesus ihre Liebe auch noch damit bezeugen muss, dass sie IHM hemmungslos ein Vermögen in die Haare streicht, ist ein Skandal. Sie ist hier immerhin in den Kreis einfacher und armer Männer eingedrungen. Vor deren Augen hat sie nichts Besseres zu tun als den ganzen Jahreslohn eines Tagelöhners Jesus über den Kopf zu leeren. 

Wofür die Männer hier ein Jahr hart arbeiten müssen, das schüttet diese Frau einfach so mal rasch über dem Rabbi Jesus aus. Wie viel besser, wie viel sinnvoller hätte man dieses Vermögen verwenden können? 

Hatten diese einfachen Männer nicht bei Jesus gehört, dass der Dienst der Nächstenliebe wichtiger sei als ein aufwendiger religiöser Kult?  Nun duldet er solch religiösen Kult an seiner eigenen Person. War nicht Jesus es gewesen, der gesagt hatte, eher gehe ein Kamel durch das Nadelöhr als ein Reicher in die Königsherrschaft Gottes? War nicht Jesus es, der den reichen Jüngling aufforderte, seinen ganzen Besitz zu veräußern und all sein Geld den Armen zu geben?  

Aber hier? Hier lässt Jesus all dies geschehen und nimmt die Frau in Schutz. Jesus sagt dabei einen unglaublichen Satz, fast so, als würde er all diese Männer, die sich da mokieren, nicht ganz ernst nehmen. „Ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit.“ 

Jesus weiß, was IHM bevorsteht. ER weiß, dass es den irdischen Jesus in wenigen Tagen nicht mehr geben wird. Nach qualvollem Sterben und grausamem Tod wird es später nur noch den auferstandenen und erhöhten Christus geben.

ER weiß es. Und die Frau weiß es auch. 

Weiß der Himmel warum –  aber sie ahnt, dass Jesu Schicksal sich in wenigen Tagen erfüllen wird. Sie spürt, was ER jetzt braucht und was IHM jetzt gut tut. In zwei Tagen wird derselbe Leib, der hier die gläubige, vertrauende und zärtliche Nähe einer einfühlsamen Frau erfährt –  in zwei Tagen wird derselbe Leib die unglaublich brutale Grausamkeit religiöser und militärischer Gewalt erleiden. Dann wird ER in Jerusalem sein Leben dahin geben – für diese Frau, für die Männer, die sie beschimpfen, für uns alle.

Doch der Duft der liebevollen Zuwendung dieser Frau wird IHN noch begleiten bis ans Kreuz. Diese Frau hat erkannt, wer Jesus wirklich ist.  Und weil sie IHN erkannt hat, deshalb fühlt sie eine große Liebe zu IHM. 

  • Sie vertraut Jesus zutiefst über alle Grenzen hinweg.
  • Sie steht zu dem, was sie glaubt.
  • Sie steht zu dem, was sie empfindet.
  • Sie steht zu dem, was sie von Jesus erkannt hat.
  • Und sie ist gewillt, dies auch öffentlich zu bekennen.

Sie möchte Jesus ihre Liebe zeigen. Sie möchte Jesus ehren – öffentlich, ohne alle Geheimnisse. Wenn man im alten Israel jemandem mit Öl salbte, so zeigte man ihm damit Liebe und erwies ihm Ehre. Deshalb salbt diese Frau Jesus mit unglaublich teurem und kostbarem Öl. Doch was hier geschieht, ist mehr als eine liebevolle und zärtliche Geste der Ehrung und des Vertrauens. 

Dies macht Jesus mit seinen Worten deutlich. Jesus sagt: „Sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt für mein Begräbnis.“ Und damit hat diese Frau ein großes Werk der Liebe an Jesus getan. Es galt damals als höchste Form  der Liebesbezeugung und der Ehrerbietung, wenn man den Leichnam eines Menschen salbte. So hat diese Frau im Voraus für ein ehrenvolles Begräbnis Jesu gesorgt. Denn Kreuzigungen waren oft Massenhinrichtungen von Rebellen und von Verbrechern oder solchen, die man dazu erklärt hatte. Die Toten wurden dann ehrlos wie Tierkadaver verscharrt. Der Kreuzigungstod sollte die Menschen bewusst ihrer Ehre und ihrer Würde berauben. Durch die liebevolle und ehrende Salbung hat jene unbekannte Frau den Kreuzestod Jesu im Voraus unterschieden von den unfasslichen Massen all der anderen Kreuzestode. Durch diese Salbung hat sie Jesu Tod am Kreuz vorweg herausgehoben als etwas ganz Besonderes. Sie hat Jesu Tod gekennzeichnet als den Tod zur Rettung und zum Heil für alle Menschen.

Sie weiß und sie bekennt: Jesu Tod rettet uns alle aus unserer Trennung von Gott.

Sie weiß und sie bekennt öffentlich: Jesus befreit uns aus der Gefangenschaft der Sünde – durch seinen Tod am Kreuz.

Aber das ist noch längst nicht alles, was sie getan hat.  Durch ihre Salbung hat die Frau in aller Stille ausgedrückt, wer Jesus für sie ist: Der Gesalbte, der Maschiach, der Messias, der Christus eben, der von Gott versprochene König des endgültigen und ewigen Heils. 

Ohne Worte bezeugt sie Jesus als den von Gott eingesetzten König der Juden und damit als den wahren König aller Menschen. Deshalb nimmt sie an Jesus eine prophetische Zeichenhandlung vor.

So wie einst der Prophet Samuel etwa tausend Jahre zuvor dem Hirtenjungen David das Öl über den Kopf goss, um ihn in Gottes Auftrag zum neuen König über Israel zu salben, so streicht diese Frau Jesus das Öl über sein Haupt, um  I H N  zu salben zum messianischen König, zum ewigen König über Israel und die gesamte Welt.

In aller Stille und Unscheinbarkeit setzt diese Frau Jesus in sein königliches Amt ein, salbt IHN zum Christus über diese Welt, zum Christus auch unseres Lebens hier und heute. Von dieser Frau zum Messias gesalbt, zieht Jesus noch in der gleichen Woche als messianischer König in Jerusalem ein.

Doch die Krone dieses messianischen Königs wird die Dornenkrone sein. Und sein Thron wird das Kreuz sein. 

Im Leiden und Sterben Jesu kommt Jesu Königswürde an ihr Ziel. Indem Jesus zu unserem Heil am Kreuz stirbt, erfüllt sich sein messianisches Königtum. 

Diese Frau hat Jesus ganz unscheinbar, aber liebevoll äußerlich in sein Amt eingesetzt. Sie hat IHN in das Amt gesalbt, das uns zum Heil und zur Rettung wurde. 

Und deshalb wird überall, wo man das Evangelium predigt, dieses zu ihrem Gedächtnis erzählt. Jesus gibt zu verstehen: Am Ende der Zeiten, im großen Weltgericht, da werden die Engel oder gar Gott selbst von dieser Frau zeugen. Sie werden ihre große Tat der Liebe an Jesus preisen. Sie werden rühmend davon erzählen, wie diese uns unbekannte Frau Jesus als den Christus erkannt hat. 

Und deshalb möchte Jesus das Andenken dieser Frau, die IHN gesalbt hat, geschützt und in Ehren gehalten wissen. 

Jesus sagt: Wo das Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat. Jesus sollte Recht behalten. Heute reden wir von dieser Frau, obwohl wir ihren Namen nicht kennen. Der Evangelist Markus überliefert uns ihren Namen nicht. Vielleicht kannte er ihn selbst nicht. Doch Jesus kennt ihren Namen. Gott kennt ihren Namen.

Und ihr Name ist bei Gott bewahrt mit ihrer ganzen Person. Wenn wir diesem Jesus so vertrauen, wie es jene Frau getan hat, und wenn wir die Liebe zu Jesus in unserem herzen regieren lassen, dann wird auch unser Name bei Gott bewahrt werden – und mit ihm unsere ganze Person. 

Dafür steht der leidende und gekreuzigte Jesus.

Dafür steht der auferstandene Christus.

IHM allein sei Ehre in Ewigkeit.

Amen.